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Geschichtenerzählstunde
für
- heilsames Wachsen
für Kinder im Alter von 6-9 Jahren in einer Kleingruppe von max. 6 Kindern
Geschichten von Mut ,Stärke, Freundschaft, Vertrauen, Freude, Wut und Trauer
- Geschichten zur Freude und Entspannung
- Geschichten zum Zuhören und Nachdenken
- Geschichten, die das Selbstvertrauen stärken
- Geschichten, die Lösungswege zeigen
- Geschichten, in denen sich ihr Kind wiederfindet
- Geschichten, die heilsam sind
- Geschichten selbst gedichtet, erzählt und gespielt
- Geschichten in gemütlicher und entspannender Atmosphäre
Feste Gruppen von max. 6 Kindern
Kurs 1: 5x Mittwochs von 17:00-18:00Uhr
Kurs 2: 5x Donnerstags von 16:00-17:00Uhr
Kosten: 50,-€ pro Kind und Kurs
Eine Geschichte von Wut, Trauer und Selbstvertrauen
Die alte knorrige Eiche
Neulich hat mir ein etwa 10 jähriger Junge eine seltsame aufregende Geschichte erzählt, die ich dir erzählen möchte. Der Junge heißt Antonio und ich weiß, dass er sehr gerne in seiner Phantasiewelt zu Hause ist und träumt. „Weißt du“ sagte er “erst in der letzten Woche hatte ich einen sehr intensiven und spannenden Traum“
„Leider weiß ich den Anfang nicht mehr. Ich erinnere mich nur, dass mich irgendetwas sehr wütend und zornig gemacht hat. Das war so schlimm, und ich wusste, dass mich keiner richtig versteht und dass es keinen Sinn machen würde, irgendjemandem davon zu erzählen. So beschloss ich, einfach weg zu laufen.
Ich rannte quer durch die Stadt, ohne zu erkennen, wo ich mich eigentlich befand. Ich wollte nur weg, weg von allem, was mich so ärgerlich gemacht hat. Als ich so langsam durch das schnelle Laufen müde geworden war, begann ich mich umzuschauen. Da bemerkte ich, dass ich mich gar nicht mehr in der Stadt befand. Ich lief quer über eine Blumenwiese und schlug gerade wild mit einem Stock um mich. Dabei schlug ich den Blumen um mich herum die Köpfe ab.
Nach einer Weile hörte ich die Blumen jammern: „Au, au, wir haben dir doch gar nichts getan, warum schlägst du uns und machst uns kaputt?“ Aber das war mir egal. „Geschieht euch ganz recht“ sagte ich. “Ich habe auch niemandem etwas getan und keiner versteht das.“
So rannte ich weiter. Ich war so wütend! Ich wünschte mir Batman zu sein. Ich wollte stark und unbesiegbar sein, damit mir nie mehr jemand etwas zu leide tun kann.
Ich fühlte mich so stark und unbesiegbar, wie Batman selbst und ich schlug mit meinem Stock weiter um mich.
Plötzlich versperrte mir etwas sehr großes den Weg. Ich wäre fast dagegen gerannt. Vor mir stand eine alte, riesige knorrige Eiche.
„Du versperrst mir den Weg“ schrie ich sie an und schlug mit meinem Stock auf sie ein.
„Oho“ hörte ich auf einmal eine tiefe Stimme sagen. „Du hast ja einen Zorn in dir, du musst ja sehr wütend sein!“ Verdutzt hielt ich inne. „Wer spricht hier“ fragte ich. Ich bin es die alte knorrige Eiche.“
„Ich sehe deine Wut und kann auch gut deine Traurigkeit dahinter spüren“ sagte sie. „Da muss dich ja etwas sehr verletzt haben.“ „Ich bin nicht traurig!“ schrie ich den Baum an und wollte weiter auf ihn einschlagen. Doch plötzlich geschah etwas sehr Unerwartetes.
Die alte knorrige Eiche neigte sich mit ihrer großen, mit Blättern gefüllten Baumkrone, zu mir herunter und bevor ich weglaufen konnte, wurde ich von zwei riesigen Ästen umschlungen und sanft festgehalten. Im ersten Moment bekam ich Angst, obwohl ich ja so stark wie Batman war. Aber bevor ich irgendetwas zu tun im Stande war, fingen die Äste an, mich langsam und behutsam zu wiegen. Langsam hörte ich auf mich gegen die Umarmung zu wehren und konnte spüren, wie sicher und umsorgt ich gehalten wurde. Ich spürte eine liebevolle wohlwollende Wärme, die mir wunderbar gut tat. Da ließ ich den Stock fallen, lehnte mich an den kräftigen Stamm und schlang meine Arme um ihn. Ich konnte tief in mir die Stärke und Freundlichkeit des Baumes spüren. In mir stieg Wärme und Traurigkeit auf. Ich musste schluchzen, erst ganz leise, doch so allmählich wurde es immer heftiger. Tränen rollten über mein Gesicht. Erst eine einzelne, dann folgte mutig und kraftlos eine Zweite. Ich dachte noch, ein Junge weint doch nicht! Aber schon flossen ganze Bäche von Tränen aus mir heraus. Sie liefen am Stamm des Baumes entlang zu dessen Wurzeln. Ich glaubte unendlich viel Traurigkeit in mir zu haben, die niemals wieder aufhört.
Aber ich fühlte mich durch die starken Äste sorgsam gehalten und gut behütet. Der Wind raschelte in den Blättern.
Ich glaubte ein Wiegenlied zu hören. Da spürte ich, wie mich die Sonne mit einem Sonnenstrahl im Nacken kitzelte. Ich hörte einen Vogel ein fröhliche Lied zwitschern und lieblicher Blumenduft streichelte meine Nase. Da versiegten die Tränen allmählich. Ich fühlte mich sehr erleichtert und froh und verspürte auf einmal Lust über die Wiesen zu springen und am fröhlich plätschernden Bach zu spielen.
Ich war dankbar, dass mich die knorrige Eiche nicht gescholten, sondern meinen Kummer gesehen hatte. Ich sagte: „Danke du liebe Eiche, jetzt geht es mir besser. Da haben wohl viele nicht geweinte Tränen festgesteckt, die erst jetzt ihren Weg nach draußen gefunden haben“
Und die Eiche antwortete: „Danke lieber Antonio, dass du meine Wurzeln mit deinen Tränen gegossen hast. So kann ich spüren, wie einsam und unverstanden du dich manchmal fühlst. Und jetzt freue ich mich, dass du wieder Lust zum Springen und Spielen hast. Und wenn du wieder einmal Kummer verspürst, so lade ich dich ein, zu mir zu kommen, ich werde immer für dich da sein.“
Ich verabschiedete mich von der Eiche und nahm mir fest vor, diesen guten Freund nicht mehr zu vergessen und bald wieder zu besuchen.
Ich ging über die Wiese zum Bach hinüber. Jetzt konnte ich erst die vielen wundervollen Blumen sehen, die in allen denkbaren Farben auf der Wiese zu Hause waren. Ich erkannte ihre Schönheit und Unschuld.
Erst wollte ich mich ein wenig schämen, da ich so unfreundlich mit ihnen umgegangen bin, aber die Blumen lächelten mich an und wiegten ihre Köpfe freundlich im Wind. Sie verströmten einen betörenden Duft und ich wusste, dass sie mir mein ungestümes Verhalten bereits verziehen hatten. Tief in mir war ein Wissen zu spüren, dass auch sie sich darüber freuten, dass ich nun wieder guter Laune und voller Tatendrang war.
Noch bevor ich am Bach angekommen war, spürte ich eine tiefe Müdigkeit in mir aufsteigen. Ich hörte ein Rauschen in der Luft und ein riesiger Vogel tauchte über mir auf.
Es war ein Steinadler. Er landete vor mir und sagte: „Steig auf meinen Rücken Antonio. Ich sehe deine Müdigkeit! Ich weiß, weinen kann sehr, sehr anstrengend sein und es gehört sehr viel Mut dazu, es zu tun. Aber glaube mir, die Tränen des Kummers in dir zu behalten ist noch viel, viel anstrengender. Das kostet unendlich viel Kraft. Da bleibt vielleicht viel zu wenig zum Spielen und Lernen.
Ich werde dich jetzt nach Hause fliegen. Auf dem Flug werde ich dir berichten, was ich von dir sehen konnte, als ich hoch über dir meine Kreise zog und was ich bei dir entdecken durfte.
Ich stieg auf den Rücken des Adlers und schon breitete er seine Flügel aus. Wir schwebten hoch oben in der Luft. Ich konnte den azur blauen Himmel sehen. Ich liebe diese schöne Farbe und spürte den Wind im Gesicht!
Da fing der Adler an zu erzählen. “Du hast ein gutes Herz, du hilfst gern und bist ein guter Freund. Ich weiß, dass du gerne Musik machst, gerne gut Gitarre spielen möchtest und dich für Technik interessierst. Ich weiß, dass du viel innere Kraft hast und sehr sportlich bist und besonders gerne Fußball spielst. Ich habe gesehen, dass du weißt was du willst und du setzt dich dafür ein. Du bist sehr geduldig. Du spielst sehr gerne und hast eine wunderbare Phantasiewelt. Ja, und du hast einen starken Gerechtigkeitssinn. Und immer wieder, wenn ich dich von hier hoch oben beobachten kann, sehe ich deinen Schalk in den Augen. Ich höre sehr oft dein herzhaftes Lachen, dass so ansteckend ist und kann sehen, wie gerne du fröhlich bist. Aber ich weiß auch, dass du dich nach Nähe und Geborgenheit sehnst und dich riesig freust, wenn du sie bekommst und richtig genießen kannst“
Aufmerksam hörte ich dem Adler zu und mir stand der Mund vor Staunen offen. So viele gute Dinge hatte ich von mir zu hören bekommen. Aber gleichzeitig fühlte ich einen großartigen Stolz in mir aufsteigen und fühlte mich sofort ein wenig glücklich.
Der Adler landete nun, verabschiedete sich mit einer tiefen Verbeugung von mir und sagte: „Du kannst mich jeder Zeit rufen und ich werde dir die Welt von oben zeigen, dich zu deinem Freund, der alten knorrigen Eiche fliegen und dir berichten, was ich mit meinem Blick auf unsere Welt alles erfahren durfte.“
Dankbar sah ich den Adler an. Gerne hätte ich ihn umarmt, aber schon breitete er seine Schwingen aus und erhob sich in die Lüfte. Noch bevor ich meine schönen Erlebnisse so richtig fassen konnte, kribbelte mich ein bekannter Geruch in der Nase. Ich wusste es gibt mein Lieblingsessen- Nudeln mit Tomatensoße.
Und ich wachte auf.
Diana Dorn 2012